Im Folgenden werden die Auswirkungen des geplanten Windparks für die
fußstartenden Motorschirme, den leichtesten und langsamsten Fluggeräten an
diesem Flugplatz, betrachtet. Aus der untenstehenden Karte ist ersichtlich, dass
vor allem die östlichen Windrichtungen für die Motorschirme ein Problem
darstellen. Dann weisen die Wibelschleppen in Richtung Startbahn.
In der zweiten Fraunhofer Untersuchung vom 15.10.2014 wird die C 22 als
Referenzflugzeug festgelegt. Die C 22 hat mit einem oft verwendeten
80-PS-Rotax-Motor eine maximale Masse von 450 Kilogramm und eine
Abhebegeschwindigkeit von 60 bis 65 Km/h. Ihre Struktur hält +4/-2 g aus, wobei
die g-Zahl das Lastvielfache bedeutet: Das Flugzeug hält also, um die Zahl „+4g“
zu beschreiben, eine Belastung von 1,8 Tonnen aus, die von oben auf die Flächen
und den Rumpf wirken. Die Reisegeschwindigkeit liegt realistisch zwischen 100
und 110 Km/h. Dieses UL-Flugzeug sieht so aus:
Copyright: Janee Link zum Originalbild
In der Analyse taucht konkret eine C 22 mit 427 Kg
Abfluggewicht und einer Reisegeschwindigkeit von knapp 120 Km/h auf. Es werden
dabei nur die in Flugzeugnormalrichtung einwirkenden
Böen parallelzur Flugbahn
einer einzigen Windenergieanlage mit 2,4 bis 3,2 MW Leistung
und 119 bis 123 Meter Nabenhöhe berücksichtigt. Die Verwirbelungseffekte durch
die Nachlaufturbulenzen der anderen Windräder, seitlich zur Landebahn
einwirkender Böen, thermische (also vertikale) Windbewegungen wie auch das
orographische Windsystem am speziellen Ort des Flugplatzes spielen bei der
Analyse keine Rolle. Trotz dieser Einschränkungen wird für die C 22
festgehalten:
· Bei Fluggeschwindigkeiten
von 102 Km/h in 50-200 Metern Höhe liegt generell keine Gefährdung vor, solange
ein Mindestabstand von 220-234 Meter eingehalten wird.
· Bei einem Wind von 11 Km/h
reicht eine Minimalgeschwindigkeit von 89 Km/h aus.
· Bei Windgeschwindigkeiten
ab 36 Km/h wird von einem Flugbetrieb abgeraten, da diese Windgeschwindigkeiten
in der Studie nicht untersucht wurden.
· Zu Achtsamkeit, Vorsicht,
verantwortungsvollem Verhalten sowie zum gegenseitigen Austausch von Erfahrungen
wird geraten. Eine Gefährdung des Flugbetriebes liegt, innerhalb der genannten
Grenzen, nicht vor.
· Sollten die
Mindestfluggeschwindigkeiten nicht eingehalten werden können wird ein
Unterfliegen der relevanten Nachlaufbereiche der Windräder empfohlen.
Gerade der letztgenannte Punkt ist für die Fußstarter von Interesse. Wie sind
also die Leistungsdaten eines fußstartfähigen Motorschirmes?
Copyright Kontest.EU Link zum Originalbild
Ausgehend von einem 80-Kg-Piloten wiegt das Gesamtsystem vollgetankt ungefähr
125-130 Kilogramm. Die Reisegeschwindigkeit liegt je nach Schirm zwischen 40 -
60 Km/h bei einer Leistung von meist 20-25 PS. Die Abhebegeschwindigkeit beträgt
(je nach Windstärke) zwischen 1-2 Km/h (bei Windstärke 3) und 10-15 Km/h (bei
schwachem oder keinem Wind). Das Steigen liegt bei ca. 1-2 m/sec und einer
Geschwindigkeit von 15-30 Km/h. Bei höheren Windstärken wird nicht geflogen.
G-Zahlen konnten Wissenschaftler für dieses Gerät bisher nicht ermitteln, da die
Fläche aus Kunstfaser ständig in Bewegung ist, so dass keine festen Größen für
eine Berechnung vorliegen. Da die Fläche nicht starr ist liegt die größte Gefahr
für ein Einklappen der Fläche in den Turbulenzen (zum Teil mit anschließendem
Verhänger, da sich die Fläche in den Leinen verheddert). Deshalb fliegen die
Fußstarter meistens morgens oder abends, da zu diesen Tageszeiten die Thermik
(als wichtigste Quelle der Turbulenzen) keine oder kaum eine Rolle spielt.
Folgende Ergebnisse lassen sich für die oben genannten Ost-Wetterlagen,
insbesondere bei den Windstärken 2 und 3, für die Fußstarter festhalten:
- Die An- und Abflüge lassen sich nicht außerhalb des
Turbulenzzonenbereiches durchführen. Aber gerade Turbulenzen sind für die
Fußstarter problematisch, insbesondere wenn es sich um sogenannte
„Wenigflieger“ mit nur 20 – 40 Flugstunden im Jahr handelt. Hier fehlen
Routine und Übung des sogenannten „aktiven Fliegens“, das notwendig ist um den
Schirm immer genau über dem Piloten zu halten.
- Sowohl die Reise- als auch die Steiggeschwindigkeit sind für ein sicheres
Durchfliegen der Turbulenzzonen deutlich zu gering, so dass eine Gefährdung
entsteht.
- Die in der Fraunhofer Untersuchung genannte Alternative bei zu geringen
Geschwindigkeiten des Fluggerätes liegt in dem Unterfliegen der
Nachlaufturbulenzen. Das jedoch ist problematisch, da es schwierig ist, etwas
zu unterfliegen, das man nicht sieht. Außerdem gilt die sinnvolle Vorschrift,
so schnell wie möglich eine Sicherheitsmindesthöhe zu erreichen, so dass bei
eventuell auftauchenden Problemen mit der Fläche oder dem Motor genügend Zeit
für richtige und angemessene Reaktionen bleibt. Das gilt insbesondere für den
Amateurbereich. Ein Unterfliegen ist also aufgrund der geringen
Reaktionszeiten nicht nur gefährlich, sondern auch eine Ordnungswidrigkeit.
- Da die jetzige Platzrunde entfällt, wenn in ihrem Bereich die Windräder
gebaut werden, sollen an- und abfliegende Fluggeräte eine direkte, lange An-
und Abflugroute wählen. Das ist aber für die Fußstarter nicht möglich, da sie
aufgrund ihrer niedrigen Geschwindigkeit den Flugbetrieb zu lange aufhalten
und die Bahn bei Windstärke 2 oder 3 für lange Minuten blockieren. Deshalb
gibt es für sie einen Gleitschirmbereich, der im Moment im Süden des Platzes
liegt. Dieser Bereich müsste in den Norden verlegt werden, nahe Boslar, so
dass sich die Fußstarter von dort aus in den Flugplatzverkehr einfädeln
können, sobald eine Lücke verfügbar wird. Das jedoch bedeutet eine stärkere
Lärmbelastung für die Bewohner Boslars.
Aus den oben genannten ersten drei Punkten wird deutlich, wie gering die
Überzeugungskraft der Fraunhofer Untersuchung für die fußstartfähigen
Motorschirme ist. Zudem wird klar, dass eine Gefährdung für die Fußstarter mit
den Windrädern deutlich zunimmt, was insbesondere für die Start- und Landephase
gilt – mit der für beide Phasen typisch niedrigen Geschwindigkeit.
Geringe Geschwindigkeit, flexible Fläche und Turbulenzen in Bodennähe sind
Faktoren, die nur schwer zu berechnen und vorherzusehen sind, allerdings mit
Sicherheit eine unheilige Allianz bilden.
Gerade Turbulenzen bilden ein Gefahrenpotenzial, das nicht unterschätzt
werden sollte. In dieser Hinsicht sei auch auf einen Untersuchungsbericht der
Bundestelle für Flugunfalluntersuchung vom verwiesen. Dort wird der Unfall einer
DR 400 vom 09.09.2012 nachvollzogen, die mit einem Abfluggewicht von 970 Kg um
17:08 Uhr (also bei schwacher Thermik) und bei Windstille gestartet war. Sie
geriet in die Wirbelschleppe einer39 Sekunden zuvor gestarteten AN 2. Der
Bericht stellt fest, dass die DR 400 „plötzlich in geringer Höhe eine
kontinuierliche Rollbewegung um die Längsachse nach rechts durchführte. Dabei
wurde annähernd eine Schräglage von 90 Grad erreicht. Das Flugzeug prallte neben
der Piste auf und an der Unfallstelle entstand ein Brand.“
Das Resultat waren 3 Tote und ein Schwerverletzter. Das Flugzeug wurde völlig
zerstört. Der Pilot hatte eine Flugerfahrung von mehr als 1000 Stunden, das
Flugzeugmuster war ihm gut bekannt. Eine technische Störung lag nicht vor. Es
wurde folgendes festgehalten:
„Die Kernaussage beschreibt, dass bei windstillen Wetterbedingungen die AN
2 eine Wirbelschleppe mit zwei gegensinnig rotierenden Einzelwirbeln erzeugen
kann, deren Rollmoment beim zentralen Einfliegen in den Wirbel so groß sein
kann, dass es für ein Flugzeug wie die DR 400 nicht möglich ist, dieses
Rollmoment mit entgegenwirkenden Querruderausschlägen ausreichend zu
kompensieren.“
Antonow AN2 Copyright H.Wirtz
DR400 Copyright H. Wirtz
So sehr Vorsicht bei der Anwendung von Analogien angebracht sein sollte, so
sind die Ergebnisse dieserin der Praxis (im ausdrücklichen Gegensatz
zu den reinen Rechenmodellen des Fraunhofer Institutes) durchgeführten
Untersuchungen doch aus der Perspektive eines Fußstarters sehr beunruhigend.
Wenn die Wirbelschleppen einer AN 2 mit ihren 1000 PS nach einer „gefühlt langen
Zeit“ von 39 Sekunden, die man auf den Start wartete, auf eine 970 Kg-Maschine
bei Windstille und schwacher Thermik so eine verheerende Auswirkung haben, wie
verhält es sich dann mit Windrädern, die umgerechnet zwischen 3400 und 4100 PS
leisten können auf ein Fluggerät, dass mehr als siebenmal leichter ist als die
unglückliche DR 400 in dem erwähnten Flugunfallbericht – und nicht einmal eine
starre Fläche besitzt?
Begründete Skepsis und Vorsicht vor allzu schnellen und möglicherweise
falschen Entscheidungen bleiben angebracht. Das gilt insbesondere im Hinblick
auf die neue Offenlegung und Beratung zur Thematik im Rat der Stadt Linnich. Zu
viele sich wechselseitig beeinflussende Variablen ermöglichen in der
Praxis keine beruhigenden und verlässlichen Aussagen zur Flugsicherheit
im Gegensatz zu der vom Fraunhofer Institut (und der Bezirksregierung
Düsseldorf) postulierten Gefahrlosigkeit des Flugbetriebes. Diese angebliche
Gefahrlosigkeit gilt sicherlich nicht für die Fußstarter bei
den thematisierten Windrichtungen und Windstärken.